Breaking: Anklage gegen alle Angeklagten im iuventa-Prozess fallengelassen

April 19, 2024

Nach sieben Jahre Odyssee hat das Gericht heute verkündet, das Verfahren gegen alle Angeklagten einzustellen. Das Verfahren stellt das längste, teuerste und umfangreichste Verfahren gegen Seenotrettungsorganisationen dar, einschließlich zwei Jahre dauernder Vorverhandlung mit über 40 Anhörungen. Es zeugt von den umfangreichen Bemühungen der Behörden, Migration zu kriminalisieren. Auch wenn die iuventa-Crew die Einstellung des Verfahrens begrüßt, bleibt festzustellen, dass durch die Ermittlungen und das Verfahren bereits unermessliche Schäden verursacht wurden.

Sascha Girke, Angeklagter der iuventa-crew: “Aufgrund fehlerhafter, politisch motivierter  Ermittlungen sind Tausende von Menschen im Mittelmeer gestorben oder wurden gewaltsam ins kriegsgebeutelte Libyen zurückgeschickt. Währenddessen wurde unser Schiff dem Verfall überlassen, und wir wurden in ein jahrelanges Verfahren hineingezogen. Darüber hinaus wurden immense Mittel, darunter auch staatliche Gelder in Höhe von rund 3 Millionen Euro, vergeudet, um die zivile Seenotrettung zu behindern und zu diffamieren. Unser Fall ist Symbol für die Strategien, die europäische Regierungen ergreifen, um Menschen daran zu hindern, sich in Sicherheit zu bringen, was zum Tod von Tausenden von Menschen führt und diesen normalisiert.”

Der Fall IUVENTA markierte den Beginn einer öffentlichen Diffamierungskampagne gegen die zivile Seenotrettung, die darauf abzielte, das harte Vorgehen gegen Rettungsaktivitäten zu legitimieren. Der politische Charakter des Falles zeigte sich unter anderem darin, dass das Innenministerium als Nebenkläger beitrat. Die Anklageerhebung erfolgte trotz mangelnder Beweise, was besonders deutlich wurde, als die Staatsanwaltschaft selbst in ihrem Schlussplädoyer am 28. Februar die Einstellung des Verfahrens beantragte, nachdem sie dieses zuvor jahrelang vorangetrieben hatte.

Die Repressionen halten bis heute an, wobei sie sich jetzt auf die administrative Blockade konzentrieren. So auch das Piantedosi-Dekret, das die anhaltenden Bemühungen des italienischen Staates hinsichtlich der Behinderung der Seenotrettung zeigt und damit dessen Verantwortung für die Ermordung von Tausenden von Menschen.

Darüber hinaus wurden bereits Tausende Migrierende routinemäßig unter demselben Vorwurf – “Beihilfe zur unerlaubten Einreise” – verhaftet. Sie werden lediglich dafür bestraft, dass sie das Boot  gesteuert oder ein Auto gefahren haben, um sich und andere in einen sicheren Hafen zu bringen und ihr Recht auf einen Asylantrag zu verwirklichen. Im Gegensatz zur Iuventa-Crew erhalten diese Personen oft nicht das gleiche Maß an Unterstützung und Aufmerksamkeit und werden häufig zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. 

Damit sich der Iuventa Fall nicht wiederholt und die Rechte von Menschen auf der Flucht geschützt werden, fordert die iuventa-Crew daher die Abschaffung des europäischen “Facilitators Package” (“Schleuserpaket”) und des Artikels 12 des italienischen Einwanderungsgesetzes. Diese ermöglichen und fördern die Kriminalisierung von Solidarität unter und mit Menschen auf der Flucht und stellen somit eine Gefährdung der Grundrechte dar. Ein Verfahren über die Rechtmäßigkeit und Auslegung des “Schleuserpakets” ist derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig.

Trotz der schwerwiegenden Folgen ist der Fall IUVENTA auch zu einem Symbol für transnationale Solidarität, Unterstützung und Widerstandsfähigkeit geworden.

Die iuventa-Crew lässt sich nicht einschüchtern und betont, dass sie die Rettungsmissionen so bald wie möglich wieder aufnehmen wird.

Kommen Sie zu unserer heutigen ONLINE-PRESSEKONFERENZ um 14.30 Uhr MESZ, in der wir über die Auswirkungen dieser wegweisenden Entscheidung sprechen werden:

Liste der Redner*innen:

  • Sascha Girke und Dariush Beigui, Angeklagte der iuventa-crew
  • Nicola Canestrini, Anwalt der iuventa-crew
  • Elisa De Pieri, Amnesty International Regional Researcher

Allison West, Senior Legal Advisor for the European Centerfor Constitutional and Human Rights (ECCHR)