Aussage des Angeklagten Sascha

October 13, 2023

An das Gericht

Ich möchte hiermit zu den gegen mich und meine Kolleg*innen erhobenen Vorwürfen Stellung nehmen. Bevor ich auf die Details der Vorwürfe eingehe, möchte ich meine Person und meine Tätigkeit an Bord des Rettungsschiffs IUVENTA näher erläutern und meine Motivation, mich aktiv an den Seenotrettungsmissionen zu beteiligen, darlegen.

  Zu meiner Person

Ich bin Rettungsassistent von Beruf und arbeitete viel Jahre sowohl für die Feuerwehr als auch für den Regelrettungsdienst in Stadt- und ländlichen Gebieten in der BRD.
  Ich war viele Jahre ehrenamtlich mit verschiedenen Organisationen an der Seenotrettung im zentralen Mittelmeer und der Ägäis beteiligt.
  Während dieser Zeit erhielt ich keinerlei Bezahlung, sondern lediglich Aufwandsentschädigungen in Form von Geld- und Sachleistungen.
 Mein Lebensunterhalt wurde durch Zuwendungen von Familie und Freund*innen finanziert.

meine Motivation mich an den Missionen der zivilen Rettungsschiffe zu beteiligen

Als Rettungsassistent arbeitete ich in einem Berufsfeld, welches mir zeigte, dass die Gesellschaft in der ich lebte, alle materiellen Voraussetzungen und das nötige Wissen hat, um Hilfeleistung und Rettung aus gefährlichen oder gar lebensbedrohlichen Situationen, eine adäquate medizinischen Versorgung sowie jede notwendige psychosoziale Unterstützung für jeden Menschen zu leisten, der dies braucht. Ich lebe und arbeite aber auch in einer Gesellschaft, in der es nicht als selbstverständlich gilt, dass dies für wirklich alle Menschen gleichermaßen bereitgestellt wird.

Dies hat mich politisiert, dies hat mich zum Handeln getrieben.

Die Situation im Mittelmeer, die tödliche Lücke, die mit der Einstellung der Rettungsmission Mare Nostrum gerissen wurde, zeigte mir, in noch direkterer und brutalerer Art und Weise als es meine eigene Lebensrealität zuvor tat , was die tödlichen und zu tiefst ungerechten Auswirkungen einer solchen ungerechten, rassistischen und post-kolonialen Gesellschaft sind. Dies bewegte mich dazu, 2015 meinen Arbeitsverhältnis zu kündigen und mich in der Seenotrettung zu engagierten.

Im Grunde ist das alles was es braucht um zu verstehen, warum ich mich an den Rettungsmissionen der IUVENTA beteiligt habe.

Ich werde im weiteren darauf verzichten meine und Ihre Zeit damit zu verschwenden hier die Notwendigkeit der Rettung aus Seenot darzulegen. Dies sollte jeder Person hier im Gerichtssaal verständlich sein. Alles andere fände ich zu tiefst verunsichernd und beschämend.

Auch sollte es meiner Meinung nach selbstverständlich sein, dass, wenn sich 120 Menschen in einem Schlauchboot von 12 Metern Länge, ohne Navigation und ohne ausreichend Nahrung und Wasser auf dem offenen Meer befinden, dass dies dann als ein Seenotfall zu interpretieren ist. Egal bei welchem Seewetter, die körperliche und seelische Unversehrtheit und das Leben dieser Menschen ist in einer solchen Situation in akuter Gefahr.

Meiner Meinung nach (und ich hoffe dies ist auch die grundlegende Rechtsauffassung jeder Gesellschaft, die sich an den universellen Menschenrechten orientiert) sollte es selbstverständlich sein, dass Menschen in einer solchen aussichtslosen Lage, unverzüglich zu helfen ist, ohne die Rettungsmaßnahmen von der Frage abhängig zu machen: warum seid ihr hier in dieser Lage?

Erst nachdem die Menschen aus der lebensbedrohlichen Lage gerettet wurden, bekommt diese Frage eine immense Relevanz. Denn, auch wenn mit Hilfe eines Schiffes wie es die IUVENTA war, diese lebensbedrohliche Lage in den meisten Fällen abgewehrt werden kann, müssen die Menschen an einen sicheren Ort verbracht werden, damit es überhaupt eine endgültige Auflösung der bedrohlichen Lage geben kann. Also: was ist zu tun?

Die Menschen über die wir hier reden (und wir nennen sie nicht „Illegale“ sondern „Menschen“) fliehen von Orten, an denen ihre grundlegenden Menschenrechte, ihre körperliche und seelische Unversehrtheit oder gar ihr Leben in Gefahr sind.

Ich verzichte hier auf Ausführungen zu der Lebensrealität derer, die aus Kriegsgebieten wie Syrien, Afghanistan kommen oder zu den Lebensrealitäten in den Libyschen Lagern. Dies sollte jeder Person hier im Gerichtssaal bekannt sein. Alles andere fände ich zu tiefst verunsichernd und beschämend.

Dass diese Menschen nicht wieder an den Ort zurückgewiesen werden können, aus dem sie geflohen sind, weil dort ihre grundlegenden Menschenrechte nicht gewahrt sind, ist nicht nur meiner Überzeugung nach richtig, sondern ist unter anderem in der Genfer Flüchtlingskonvention der UN-Antifolterkonvention und der Europäische Menschenrechtskonvention festgelegt.

Ich verzichte hier auf Ausführungen dazu, dass diese Verpflichtung auf der Europäischen Erfahrung von Krieg, Massenvernichtung und Faschismus fußt. Ich gehe davon aus, dass dies jeder Person hier im Gerichtssaal bekannt sein wird. Alles andere fände ich zu tiefst verunsichernd und beschämend.

Dies sind die Elemente die es braucht um zu verstehen, was meine Motivationen war, warum wir taten was wir taten: Menschen aus lebensbedrohlichen Situationen zu retten und sie an einen sicheren Ort zu verbringen.

Die Einsätze des Rettungsschiffes IUVENTA waren an ethischen und rechtlichen Verpflichtungen ausgerichtet und an den Bedürfnissen der Menschen die wir im Einsatzgebiet fanden.
Und sie gründeten auf der politischen Überzeugung, dass wir als Teil einer Gesellschaft, die erbaut ist auf der Zerstörung der Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen durch Kolonisierung , Kapitalistischer Ausbeutung und Zerstörung von Mensch und Natur, eine Mitverantwortung dafür haben dies zu ändern.

Zu meinen Aufgaben und Tätigkeiten in Zusammenhang mit dem Rettungsschiff IUVENTA

Ich war vom 02.09.16 – 12.09.16 in der Rolle des Einsatzleiters an Bord des Rettungsschiffs IUVENTA.

Meine Aufgaben war die Einsatzleitung an Bord:

Während des Einsatzes arbeitete ich mit den verschiedenen Departements wie Brücke, Deck-Crew und Medizinisches Team zusammen und leitete das Einsatzteam der Rettungsboote an. Gemeinsam mit dem Brückenteam hatte ich die für die Suche und Rettung relevanten Entscheidungen zu treffen. Ich war die Ansprechperson für die Crew, die Organisation und externe Parteien wie andere NGOs, staatliche und zivile Akteure. Nach dem Einsatz leitet ich die Nachbereitung der Einsätze sowie die Übergabe an die nachfolgende Crew.

Ich wende mich nun den mir und meinen Kolleg*innen durch die Staatsanwaltschaft zur Last gelegten Verbrechen zu.

Ich verzichte hier darauf auszuführen, was meiner Überzeugung nach die eigentliche politische Beschaffenheit dieses Verfahrens darstellt, dass es hier nicht um das Aufdecken von Straftaten sondern um die Konstruktion von Straftaten geht und das dafür alle einen hohen Preis zahlen, besonders diejenigen, die nicht von einem der drei Schiff gerettet werden konnten.

Dass ich nach 7 Jahren diese Aussage, hier in einem ordentlichen italienischen Gericht, machen muss, lässt mich sprachlos, erschüttert und verwundert.

Die Mission und das Einsatzgeschehen des 10.09.2016

Die Mission begann am 02.09.2016 in Valletta, Malta, und endete am 12.09.2016. in Valletta, Malta. Während der gesamten Mission waren wir an der Rettung von wir mehr als 1600 Menschen beteiligt von denen wir 795 an Bord genommen haben. Wir arbeiteten während dieser Mission mit 11 verschiedenen Rettungsteams vor Ort zusammen: Italienischer Küstenwache, militärische Einheiten der Irischen wie italienischen Marine und anderen SAR-NGO‘s.   

Das MRCC Rom hatte die Koordination über unsere Such und Rettungsmaßnahmen. Wir sendeten konstant ein AIS Signal (Automatisches Identifikationssystem) aus, welches unsere Position, Kurs und Geschwindigkeit angibt. Darüber hinaus waren wir 24/7 via Satelliten Mail und Satelliten Telefon für das MRCC und alle anderen Rettungsteams erreichbar. Über diese beiden Kommunikationswege standen wir mehrmals täglich mit dem MRCC in Kontakt und informierten über Sichtungen und Verlauf der Rettungen oder nahmen Anweisungen der Seenotleitstelle entgegen. Bei gemeinsamen Rettungen mit den staatlichen Behörden oder militärischen Einheiten, übernahmen diese die „on scene coodination“ (OSC).

Am 10.09.2016 waren die Crewmitglieder bereits 9 Tage im Einsatzgebiet und dieser Tag war der vierte von insgesamt sechs Tagen an dem wir Menschen in Seenot gefunden und Rettungen durchgeführt haben.

Im Laufe des Einsatzes, der von 06:42 bis 18:40 dauerte, nahmen wir insgesamt 440 Menschen an Bord der IUVENTA auf und waren daran beteiligt weitere 406 Menschen mit Rettungswesten und Rettungsinseln zu versorgen. Die Rettungen fanden ca 17-15nm von der libyschen Küste statt.

Während der Rettungen waren folgende andere Rettungskräfte anwesend:

NGO ships:

An unseren Rettungen direkt beteiligt

IUVENTA/ Jugend Rettet

Topaz Responder / MOAS

Vos Hestia / Save the children

In der unmittelbaren Umgebung, aber nicht direkt an unseren Rettungen beteiligt:

Phoenix / MOAS

Astral / ProActiva

Dignity I / MSF

Küstenwache und Marine:

Irische Marine-Patrouillenschiff LÉ James Joyce

Such- und Aufklärungsflugzeug / Spanische Luftwaffe

Helikopter des Italienischen Marineschiffes Commandante Brosini

 

Die Koordination des Einsatzes lag beim MRCC Rom. OSC war unserer Auffassung nach die James Joyce, da diese das einzige vor Ort befindliche maritime staatliche Rettungsschiff war und daher vorrangig die Kommunikation mit dem MRCC übernahm.

Einzelheiten der Rettung  

Um 05:00 übernahmen der Kapitän und ich die Brückenschicht. Wir schrieben einen Positionsbericht an das MRCC Rom, starteten die Maschine und fuhren von unsere Nachtposition ca 30nm von der Küste entfernt, Richtung Süden. Der meteorologischen Voraussagen für diesen Tag sagten ein relativ stabiles und ruhiges Seewetter voraus, was es, aus den Erfahrungen der vorherigen Missionen und den allgemein Datenlage zu Seenotfällen in dieser Region, wahrscheinlich machte, dass Boote von der Libyschen Küste abgelegt haben und sich auf dem Weg nach Norden befanden.

Um ca. 6:00 erreichten wir eine Position 24nm nord-östlich von der Hafenstadt Zuwara. Zusammen mit den anderen Akteuren der Zivilen Flotte begaben wir uns weiter südlich, um bei Tagesanbruch näher an den zu vermutenden Seenotfällen zu sein und so schnell wie möglich Hilfe leisten zu können. 

Mit aufkommenden Tageslicht waren wir ca. 17-16sm von der Küste entfernt. Wir sichteten mit Ferngläsern viele verschiedene kleine Boote am Horizont und erhielten weitere Benachrichtigungen durch andere Schiffe, dass auch sie die Sichtungen bestätigen können und von ihrer Position aus weitere kleinen Boote ausmachen konnten. Die gesamte Crew kommt an Deck zusammen, die einzelnen Teams machen sich Einsatzbereit und die Rettungsboote werden zu Wasser gelassen.

06:42 bis 08:00

Unsere beiden Rettungsteams sind mit der Versorgung uns Stabilisierung von ca. 240 Menschen in 2 Schlauchbooten (TV1 und TV2) beschäftigt. Als Erstmaßnahme wurden Rettungswesten ausgeteilt. TV1 wurde von dem Rettungsteam der Phoenix übernommen. Die Rettungsteams der IUVENTA schleppten TV2 zur IUVENTA, wo die Menschen an Bord genommen wurden.

Diese Rettungsaktion, sowie das gesamte Umfeld des Einsatzgebietes wurde von dem Such- und Aufklärungsflugzeug der Spanischen Luftwaffe beobachtet. Um 07:40 überflog dies den Ort der Rettungen.

08:00 – 09:08

Unmittelbar nach Beendigung der Rettung von TV1 und TV2, versorgten die beiden Rettungsteams der IUVENTA weitere ca 120 Menschen in einem Schlauchboot (TV3) stabilisiert und mit Rettungswesten ausgestattet. Um 09:08 waren die Menschen von TV3 sicher auf der IUVENTA.

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir insgesamt 255 Personen an Bord unseres Schiffes. Alle wurde mit Wasser versorgt und medizinisches Team begann mit der medizinischen Erstversorgung.

09:08 – 10:48

Nach Abschluss der Rettung von TV3 versorgten unsere beiden Rettungsteams mehr als 350 Menschen in drei weiteren Schlauchbooten (TV4, TV5, TV6). Auch hier wurden als Erstmaßnahme Rettungswesten verteilt und medizinische Erstversorgung geleistet.

Um 09:56 erreichte uns die Nachricht, dass die VOS Hestia sich auf dem Weg zu unserer Position befand und in ca 1 Stunde eintreffen würde um mit einer Aufnahmekapazität von 300 Menschen die laufende Rettung zu unterstützen.

Der Hubschrauber der Italienischen Marine Commandante Brosini überflog um 10:00 das Einsatzgebiet und beobachtet die laufenden Rettungen.

Das Rettungsteam des irischen Marine-Patrouillenschiff LÉ James Joyce, die sich in unmittelbarer Nähe zu uns befanden, unterstützten unsere Rettungen mit ihren Rettungsteams und übernahmen um 10:06 die Menschen des TV6.

Durch diese Unterstützung konnten wir Kapazitäten frei machen um das TV5 zur IUVENTA zu schleppen. Um 10:29 nahmen wir das TV5 längsseits der IUVENTA und um 10:48 waren alle Menschen von TV5 auf die IUVENTA aufgenommen. Wir beließen TV5 längsseits der IUVENTA. Es gab wegen weiterer Rettungen keine freien Kapazitäten um dieses Schlauchboot unmittelbar nach der Aufnahme der Menschen zu zerstören und es diente uns als Ort für die Lagerung von Müll, durch Benzin verschmutzter Bekleidung und anderen Dingen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die IUVENTA mehr als 440 Menschen an Bord. Wir waren an der Grenze unserer Aufnahmekapazität angekommen und brauchten jeden Quadratmeter für die geretteten Menschen.

10:48 – 11:50
Unmittelbar nach dem Abschluss der Rettung von TV5 kehrten die Rettungsteams der IUVENTA zum TV4 zurück, welches sich immer noch in mitten des Geschehens auf dem Wasser befand. Um 11:17 meldeten sie, dass ein Schlauch des Bootes TV4 zunehmend Luft verliere und drohe zu kollabieren. Das Rettungsteam der IUVENTA brachte eine Rettungsinsel um die Menschen vom sinkenden Schlauchboot zu evakuieren.

11:23 kollabierte der Schlauch des Bootes vollständig und mehr und mehr Menschen rutschten ins Wasser. Der Marinehubschrauber der Commandante Brosini kam zur Hilfe, kreiste über der Einsatzstelle und warf 2 weitere Rettungsinseln über dem sinkenden Schlauchboot ab. Mit Hilfe des Rettungsteams des Irischen Marine LÉ James Joyce und der TOPAZ RESPONDER konnten alle Menschen geborgen werden.

Die ca 120 Menschen von TV4 sollten einer schnellstmöglichen medizinischen Erstuntersuchung bekommen, da es bspw durch eine Aspiration von Benzin, welches sich bei dem sinkenden Schiff im Wasser befand, zu tödliche Lungenschädigungen kommen kann. Minuten können in einer solchen Situation über Leben und Tod entscheiden. Die Menschen mussten von medizinisch geschultem Personen untersucht, ggf mit Sauerstoff versorgt werden. Bei einem solchen Aspirationsgeschehen, ist eine schnellstmögliche intensivmedizinische Versorgung dringend erforderlich.

Da die Kapazität der M/V IUVENTA mit 440 Menschen ausgeschöpft war, entschied ich, dass unser Deckteam eine Rettungsinsel ausbringen sollte und einige der bereits geretteten Menschen von der IUVENTA auf diese umzuverteilen. Nur so konnte überhaupt Platz für die Überlebenden des gesunkenen TV4 geschaffen werden und somit diese oben beschriebenen Maßnahmen schnellstmöglich beginnen zu lassen.

Um 11:50 war die Rettung der Menschen des TV4 abgeschlossen und alle sicher an Bord der Schiffe IUVENTA, LÉ James Joyce sowie auf der zu diesem Zeitpunkt eintreffenden VOS HESTIA verbracht.

11:50 – 13:16

Das Rettungsteam der IUVENTA versorgte ein weiteres Schlauchboot (TV7) mit Rettungswesten und schleppte es um 12:33 zum irischen Marineschiff LÉ James Joyce, wo die Menschen an Bord genommen wurden.

Um 12:43 evakuierte die VOS HESTIA die geretteten Menschen aus der Rettungsinsel, welche sich neben der IUVENTA befand und brachte eines unserer Crewmitglieder, welches sich mit den geretteten Menschen auf der Rettungsinsel befand, wieder wohlbehalten zur IUVENTA zurück.

13:16 – 13:40 

Auf Anweisung des MRCC Rom wurden alle Menschen des TV4 die sich auf der IUVENTA befanden zur LÉ James Joyce gebracht.

13:40 – 17:48

Nach Anweisung des MRCC Rom sollten alle Menschen die sich auf der IUVENTA befanden auf die VOS HESTIA gebracht werden. Um einen sicheren Transfer der Menschen zu gewährleisten, schleppte eines der IUVENTA Rettungsteams das TV5, welches immer noch in der Nähe der IUVENTA befand, um ca15:40, einige Meter von der IUVENTA weg. Bei dem Transfer der geretteten Menschen unterstützten die Rettungsteams der Topaz Responder, der VOS HESTIA und der IUVENTA.

17:48 – 18:40

Für die Einsatzteams der IUVENTA endetet der Einsatztag damit, TV5, welches sich immer noch in der unmittelbaren Nähe der IUVENTA befand, zuerst in sichere Entfernung zur IUVENTA zu schleppen um es dann um 18:40 zu zerstören.

Tatvorwürfe

Die uns zur Last gelegte Taten an diesem Tag, dem 10.09.2016, erscheint, in den Teilen der Akte dieses Verfahrens die mir durch Übersetzung in meinen Muttersprache verständlich sind, wie folgt:

Aus der Anklageschrift:

am 10.9.2016 nahmen sie 140 Migranten an Bord, die sich auf einem Boot aus libyschen Hoheitsgewässern befanden; Nach der Umschiffung auf das Schiff IUVENTA entfernte sich dieses mit zwei Mann gegen die Küste Libyens: die Migranten wurden danach vom Schiff IUVENTA auf den Ankerziehschlepper VOS HESTIA umgeschifft, der am 12.9.2016 im Hafen von Trapani anlegte.

 

An diesem Tag legten verschiedene Boote an der IUVENTA an und ab. Es handelte sich entweder um Rettungsboote von verschiedenen Rettungsteams, die Menschen zur IUVENTA oder von der IUVENTA auf andere Schiffe gebracht haben. Oder es waren die Schlauchboote TV2, TV3 und TV5, die wir im Rahmen der Rettung längsseits der IUVENTA genommen hatten um die Menschen schnell und sicher auf die IUVENTA zu verbringen. Diese drei Schlauchboote wurden von den anwesenden Rettungsteams (NGO‘s und irische Marine) zerstört. Diese Angaben werden durch Frontexberichte bestätigt, die ihre Informationen u.a. von den drei vor Ort befindlichen staatlichen und militärischen Einheiten erhalten haben.

Irische Marine-Patrouillenschiff LÉ James Joyce

Such- und Aufklärungsflugzeug / Spanische Luftwaffe

Helikopter des Italienischen Marineschiffes Commandante Brosini

Wir haben an diesem Tag keine anderen als die in meinem Bericht genannten Akteure vor Ort gesehen. Wir standen mit niemand anderen als den o.g. Rettungseinheiten, dem MRCC Rom und der Organisation Jugend rettet in Kontakt. Weder haben andere als die oben genannten Boote an der IUVENTA an- oder abgelegt, noch gab es überhaupt an diesem Tag ein einziges Holz- oder Glasfaserboot in der Nähe der IUVENTA, wie es die Augenzeugen der Staatsanwaltschaft versichern.

Die oben zitierten Anschuldigungen beruhen einzig auf die Aussagen der Mitarbeiter der Sicherheitsfirma IMI Security, Ballestra, Montanino und Gallo, die auf dem VOS HESTIA eingesetzt waren. Das Schiff VOS HESTIA traf nachweislich am 10.09.2016 ca 11:30 im Einsatzgebietes ein. Genau zu dem Zeitraum in dem die Rettung des TV4 in Zusammenarbeit mit 2 Militäreinheiten lief und erst nachdem die IUVENTA ihre max Aufnahmekapazität durch die Aufnahme der TV1, TV3 und TV5 bereits erreicht hatte und wir Rettungsinseln ausbringen mussten um überhaupt Überlebende des TV4 aufnehmen und versorgen zu können.

Die IMI Mitarbeiter können meiner Meinung nach einzig das TV5, welches sich zur Zeit des Eintreffens der VOS HESTIA in der unmittelbaren Nähe der IUVENTA befand, gesehen haben. Dies wurde aber nachweislich von uns selbst zerstört.

Zudem hatte das TV5 zum Zeitpunkt der Eintreffens der VOS HESTIA nachweislich keinen Motor mehr, da wir diesen aus Sicherheits- und Rettungstaktischen Gründen während den Rettungsmaßnahmen bereits versenkt hatten und konnte sich somit gar nicht aus eigener Kraft vom Schiff wegbewegen sondern wurde von einem unserer eigenen Rettungsteams geschleppt. Erst im Zuge des Transshipments der Geretten von der IUVENTA zur VOS HESTIA und ein zweites mal um es in sicherer Entfernung der IUVENTA zu zerstören.

Die Vorwürfe, wie sie gegen mich und meine Kolleg*innen vorgetragen werden, sind anhand meiner Erinnerungen und der reichhaltigen Datenlage haltlos.

Schlussbemerkung

Es ist für mich völlig unverständlich, dass die Angaben der sich vor Ort befindlichen 3 Behörden (2 Militäreinheiten in der Luft und eine Militäreinheit, die sich im fraglichen Zeitraum in unmittelbarer Nähe der IUVENTA befand) nicht zur Überprüfung der Aussagen der IMI Mitarbeiter*innen herangezogen werden, ja sie nicht einmal Teil der Ermittlungsakten sind.

Nach 7 Jahren!!!

Zumal, angesichts der Zeugenaussagen, denen die Staatsanwaltschaft offensichtlich folgt, ich davon ausgehe, dass die Staatsanwaltschaft auch Untersuchungen gegen die Besatzung der irischen Marineschiff James Joyce oder die Besatzung des italienischen Marineschiffes Commandante Brosini der durchgeführt hat, weil sie nicht gegen die angeblich vor Ort befindlichen „Schleuser“ vorgegangen sind und sondern diese gewähren lassen hat. Wo sind die Ergebnisse dieser Untersuchung?

Auch die an Bord der Rettungsschiffe IUVENTA anwesende Journalistin, die für das Erste Deustche Fernsehen (ARD) und ARTE berichtete, wurde scheinbar nicht als potenzielle und glaubwürdige Zeugin anerkannt. Weder ihr Material noch ihre Augenzeugenberichte finden sich in den Akten und sind somit nicht als Teil der Aufklärung der Sachverhalte herangezogen worden.

Nach 7 Jahren!!!

Anstatt diese Menschen und Behörden zu befragen und deren Aussagen zur Überprüfung der gemachten Vorwürfe herzuziehen, beruft sich die Staatsanwaltschaft auf die Aussagen von Menschen, deren Hintergründe und Motivationen höchst fraglich und meiner Meinung nach zu großen teilen menschenverachtend sind, wie es die bekanntgewordenen Verbindung zu rechtsradikalen Organisationen und Gesinnung verdeutlichen.

Für mich stellt sich die Frage nach den Absichten der Staatsanwaltschaft. Und inwieweit sich die Anklage in dieser Untersuchung von politischen Motiven hat leiten lassen.